Baugeschichte
Das Aussehen des Schlosses
Genug der alten Geschichten! Wenden wir uns dem Gebäude selbst zu: Eine Zeichnung des kurfürstlich-sächsischen Oberlandbaumeisters Wilhelm Dilich aus dem Jahre 1626 gibt den Renaissancebau sehr genau wieder. Wir erkennen deutlich, wie das Schloss vor dem Brand von 1754 ausgesehen hat: Der markante Erker an der Südwestecke war ein Stockwerk höher, und neben ihm gab es noch ein sechstes Zwerchhaus auf dem Dach des Südflügels. Der Westflügel war ein Vollgeschoss höher, die Firsthöhe entsprach der des Südflügels. Auch das Dach des Westflügels kann nach der Johannisstraße zu mehrere Zwerchhäuser getragen haben, wie wir ja auch an dem nördlichen Ende dieses Gebäudeteils ein Zwerchhaus erkennen, das dem Schlosshof zugewandt ist. Auch die Hofseite des Südflügels hat verschiedene Veränderungen erfahren.
Die Schlanke Margarete hatte ursprünglich eine hölzerne Wendeltreppe, die rechtsherum gewendelt war. Ob man dabei noch an die Verteidigung des Schlosses gedacht hat? Die rechte war die Schwerthand, eindringende Feinde wurden bei einer rechts gewendelten Treppe behindert. Nach 1833 wurde die Treppe neu gebaut, nun links gewendelt und aus Stein. Die toscanische Säule an der Fassade stand ursprünglich frei; dahinter war anstelle des jetzigen Flurs eine schiefe Ebene (später eine Treppe), die aus der Schlanken Margarete außen zu den Räumen des 1. Stocks führte. Auch der holzverkleidete Gang im 2. Stock war ursprünglich eine offene Laube. Vielleicht schauten von dort Anno 1549 die Damen dem Turnier zu, welches Moritz und Ferdinand einander lieferten. Der Dicke Heinrich trug seit 1545 eine Renaissancehaube. Hier hingen zwei Glocken, 5,5 und schätzungsweise 13 Zentner schwer. 1686 schenkte sie der Kurfürst der Stadt Zschopau für den geplanten Turm der St. Martinskirche. Bis 1697 hingen sie noch auf dem Schlossturm, dann war es so weit, dass sie überführt werden konnten. - Beim Dicken Heinrich ist später der obere schlanke Teil der Renaissancehaube abgetragen worden. Der untere Teil blieb bis 1844 erhalten, dann wurde ein flaches Kegeldach aufgebracht. Die jetzige Bekrönung entstand 1975/76 nach einem Entwurf von Dr. Laudeley aus Karl-Marx-Stadt als Reminiszenz an das Mittelalter. Allerdings handelt es sich um reine Erfindung, denn so hat der Turm früher bestimmt niemals ausgesehen. Man wollte vor allem einen schönen Aussichtsturm haben.
Die Innenräume
Das Innere des Schlosses ist im Verlauf seiner langen Geschichte oft verändert worden. Über die ursprüngliche Größe, Anordnung, Gestaltung und Funktion der Räume konnte man bis zum Beginn der Restaurierungsarbeiten im Jahre 1980 nur mutmaßen. Es gibt aber in Dresden ein Inventarverzeichnis aus dem Jahre 1552, und wahrscheinlich ging man beim Erfassen des Inventars von Raum zu Raum und Etage zu Etage voran. Es wird zuerst das "grün-weiße Gemach" genannt und das "Stübel dabei", dann die "Cammer dabei", dann das "blau-weiße Gemach" und so fort, so dass man auf eine bestimmte Abfolge der Räume schließen konnte. Jetzt, zwanzig Jahre später, ist es nun interessant, die Hypothesen von einst mit den Befunden von heute zu vergleichen. Wir sind ein bisschen stolz, unsere Vermutungen größtenteils bestätigt zu sehen. Von dem 1552 vorhandenen Mobiliar ist freilich nichts mehr da. Wertvolle Stücke hat man vielleicht abgeholt, aber das meiste wurde wohl bei den zahlreichen Umbauten vernichtet.
Was aber bestimmt abgeholt wurde, als das Schloss keinen repräsentativen Zwecken mehr diente, waren die wertvollen Hirschgeweihe, die allenthalben an den Wänden hingen. Das Inventarverzeichnis von 1619 nennt 112 Stück, darunter 2 Zwanzigender, 5 Achtzehnender, 16 Sechzehnender, 50 Vierzehnender usw.
Doch wo sind sie hingekommen? Nach Augustusburg? - Jedenfalls hat August der Starke um 1729 viele Jagdtrophäen, auch die aus Augustusburg, in sein schönes neu gestaltetes Jagdschloss Moritzburg geholt. So ist es möglich, dass sich unter diesen viel bewunderten Prachtstücken auch Geweihe befinden, die ursprünglich einmal das Jagdschloss Wildeck zierten.